Auf dem Weg zu dem ehrgeizigen Ziel der Kohlenstoff-Neutralität befindet sich die Lkw-Branche an einem Scheideweg. Schwere Nutzfahrzeuge gehören zu den größten Verursachern von CO2-Emissionen in Europa und tragen erheblich zur CO2-Bilanz des Verkehrssektors bei. Daher ist der Vergleich der Gesamtkosten eines herkömmlichen Lkw mit denen eines elektrischen LKWs entscheidend, um die langfristige wirtschaftliche Tragfähigkeit zu verstehen.
Dieser Artikel untersucht den Kostenvergleich zwischen elektrischen und herkömmlichen Lastkraftwagen auf dem europäischen Markt und stützt sich dabei auf die jüngsten Studien des International Council on Clean Transportation (ICCT) und der Association of European Vehicle Logistics (ECG).
Die Herausforderung der Emissionen
Schwere Nutzfahrzeuge sind mit einem Anteil von 27 % an den gesamten CO2-Emissionen des Straßenverkehrs in der EU und im Vereinigten Königreich für einen unverhältnismäßig hohen Anteil verantwortlich. Diese deutliche Zahl unterstreicht die Dringlichkeit des Übergangs zu saubereren Alternativen. Die Europäische Kommission hat diese Notwendigkeit erkannt und bereits CO2-Emissionsnormen für schwere Nutzfahrzeuge eingeführt. Sie wird in naher Zukunft aktualisierte Normen veröffentlichen, die auf der bestehenden Verordnung EU 2019/1242 aufbauen.
Dekarbonisierungspfade
Um die in Europa weit verbreitete Diesel-Lkw-Technologie zu ersetzen, werden mehrere alternative Wege zur Dekarbonisierung untersucht. In der ICCT-Studie1 werden sieben Schlüsselpfade untersucht:
- Batteriebetriebene Elektro-LKWs: Diese Fahrzeuge werden mit dem europäischen Stromnetz betrieben und an privaten Depots und öffentlichen Schnellladestationen aufgeladen.
- Wasserstoff-Brennstoffzellen-LKWs: Diese nutzen grünen Wasserstoff, der durch erneuerbare Elektrolyse hergestellt wird.
- Konventionelle Lkw mit HVO: Einsatz von mit Wasserstoff behandeltem Pflanzenöl, das in der EU aus Altöl hergestellt wird.
- Konventionelle Lkw mit synthetischem Diesel: In Brasilien hergestellter und in die EU importierter E-Diesel.
- Konventionelle Lkw mit Bio-CNG: Biokomprimiertes Erdgas, das in der EU aus Abfällen und Reststoffen hergestellt wird.
- Lkw mit Wasserstoffverbrennungsmotor: Konventionelle Lkw, die mit grünem Wasserstoff angetrieben werden.
- Wasserstoff-Diesel-Doppelkraftstoff-LKWs: Betrieb mit mindestens 90 % Wasserstoff und nicht mehr als 10 % Dieselkraftstoff.
Analyse der Gesamtbetriebskosten (Total Cost of Ownership)
Um diese verschiedenen Optionen zu vergleichen, wird in der ICCT-Studie eine Analyse der Gesamtbetriebskosten (TCO) durchgeführt. Dieser umfassende Ansatz berücksichtigt mehrere Faktoren:
- Anschaffungskosten für Lkw
- Kraftstoffpreise im europäischen Durchschnitt
- Instandhaltungskosten
- Straßenbenutzungsgebühren, Steuern und Abgaben im europäischen Durchschnitt
Die Gesamtbetriebskosten-Analyse deckt verschiedene schwere Nutzfahrzeuge ab, darunter Langstrecken-Sattelzugmaschinen, starre Regional- und Stadtlieferwagen sowie leichte Stadtlieferwagen. Dieser breite Umfang gewährleistet einen umfassenden Überblick über die verschiedenen Heavy-Duty Vehicles (HDV) in Europa und konzentriert sich auf die Segmente mit den höchsten Verkaufsanteilen.
Die wichtigsten Ergebnisse der Gesamtbetriebskosten-Analyse lassen einige vielversprechende Trends für Elektro-Lkw erkennen:
- Batterieelektrische Lastwagen: Batterieelektrische LKWs sind der vermutlich kostengünstigste Weg zur Dekarbonisierung bis 2030. Mittelschwere und leichte städtische Elektro-LKW haben bereits die TCO-Parität mit Diesel-LKWs erreicht, was bedeutet, dass die Gesamtbetriebskosten der E-LKWs, trotz höherer Anschaffungspreise, aufgrund niedrigerer Betriebskosten gleichauf oder günstiger sind als die der Verbrenner.
- Schwere Lastkraftwagen für den Fernverkehr: Es wird erwartet, dass die TCO-Parität mit Dieselfahrzeugen zwischen 2025 und 2026 erreicht wird. Der spätere Zeitpunkt für die Parität ist auf die teureren Vorlaufkosten zurückzuführen, die durch die großen Batterien verursacht werden, die für hohe tägliche Reichweiten benötigt werden.
- LKW mit Wasserstoff-Brennstoffzellen: Voraussichtlich werden sie bis 2035 kostenmäßig mit Diesel-Lkw konkurrieren können. Die erwartete Senkung der Preise für grünen Wasserstoff im Zeitraum 2030-2040 wird dabei eine entscheidende Rolle spielen.
- LKW mit alternativem Kraftstoff: Konventionelle LKWs, die mit alternativen, treibhausgasarmen Kraftstoffen wie HVO, E-Diesel und Bio-CNG angetrieben werden, werden es voraussichtlich wirtschaftlich schwer haben. Es wird erwartet, dass sie bis 2030 um 15 bis 45 % höhere Gesamtbetriebskosten haben werden als ihre emissionsfreien Pendants.
Wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit von Elektro-LKWs
Während die langfristigen Aussichten für Elektro-LKWs vielversprechend sind, stellen die aktuellen Marktbedingungen einige Herausforderungen dar. Nach Angaben der ECG Association2 können die aktuellen Preise für Elektro-LKWs bis zu dreimal so hoch sein als wie die für Diesel-LKWs. Der Preisunterschied wird jedoch durch verschiedene Maßnahmen aktiv ausgeglichen:
- Geringere Betriebskosten: Trotz höherer Anschaffungskosten profitieren E-LKWs von niedrigeren Kraftstoff- und Wartungskosten während ihrer Lebensdauer.
- Unterschiedliche Wettbewerbsfähigkeit: Die wirtschaftliche Rentabilität von Elektro-LKWs variiert je nach Klasse und Anwendung. Städtische Lieferfahrzeuge beispielsweise sind in vielen Szenarien bereits wettbewerbsfähig.
- Langfristige Prognosen: Prognosen gehen davon aus, dass Brennstoffzellen-LKWs insgesamt 10 bis 20 % höhere Betriebskosten haben werden als batterieelektrische LKWs. Dennoch werden beide Technologien voraussichtlich Diesel und alternative Kraftstoffe langfristig übertreffen.
Staatliche Anreize und Vorschriften
Der Übergang zu Elektro-LKWs wird sowohl durch Initiativen auf EU-Ebene als auch durch Anreize in den einzelnen Mitgliedstaaten aktiv unterstützt. Diese Maßnahmen sind von entscheidender Bedeutung für die Überwindung der derzeitigen Kostenlücke zwischen Elektro- und herkömmlichen Diesel-Lkw.
Auf EU-Ebene wird die Kohlenstoff-Neutralität bis 2050 angestrebt, wobei alle neuen Fahrzeuge, einschließlich schwerer Lkw, bis 2040 emissionsfrei sein müssen. Dieser regulatorische Druck ist eine wichtige Triebkraft für den Wandel in der Branche.
Die einzelnen EU-Mitgliedstaaten bieten eine Vielzahl von Anreizen:
- Kaufsubventionen: Direkte finanzielle Unterstützung für die Anschaffung von Elektrofahrzeugen, um die höheren Anschaffungskosten auszugleichen.
- Unterstützung der Ladeinfrastruktur: Zuschüsse und Finanzierung für die Installation von Ladestationen, sowohl auf nationaler als auch auf EU-Ebene.
- Ermäßigungen bei der Kfz-Steuer: Viele Länder bieten ermäßigte oder erlassene Kfz-Steuern für Elektrofahrzeuge an.
- Besondere Privilegien: In einigen Gebieten gibt es spezielle Fahrspuren oder Zonen für reine Elektrofahrzeuge.
Die ECG Association weist darauf hin, dass diese Anreize einen erheblichen Einfluss auf die Berechnung der Gesamtbetriebskosten (TCO - Total Cost of Ownership) haben. In Märkten mit starkem Regulierungsdruck wird die Kostenparität für Elektro-Lkw früher erreicht. So tragen beispielsweise Ermäßigungen bei der Kfz-Steuer, eine höhere jährliche Kfz-Steuer auf der Grundlage der Emissionen und Steuerbefreiungen für Elektro-Lkw dazu bei, ihre Wirtschaftlichkeit zu verbessern.
Herausforderungen und Überlegungen
Die Entwicklung von Elektro-Lkw sieht vielversprechend aus, doch auf dem Weg zur breiten Einführung gibt es noch einige erhebliche Hürden. Der Ausbau der Infrastruktur ist dabei eine zentrale Herausforderung, insbesondere für Langstreckenrouten, auf denen umfassende Ladenetzwerke unverzichtbar sind. Diese Problematik ist eng mit der Notwendigkeit weiterer technologischer Fortschritte verknüpft.
Mit Verbesserungen in der Batterietechnologie und höheren Ladegeschwindigkeiten wird die Einsatzfähigkeit von Elektro-LKWs in allen Bereichen zunehmen. Dennoch stellen die derzeit begrenzten Reichweiten eine Herausforderung für sehr lange Strecken dar, was in naher Zukunft möglicherweise alternative Lösungen erforderlich macht.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Netzkapazität. Eine ausreichende Stromversorgung sowie die Integration erneuerbarer Energiequellen werden entscheidend sein, um die steigende Nachfrage zu bewältigen.
Der Übergang wirft zudem Fragen nach dem langfristigen Restwert dieser Fahrzeuge auf. Zwar deuten die aktuellen Marktbedingungen auf höhere Restwerte von Elektro-L KWs hin, bedingt durch geringere Abschreibungskosten, doch bleiben die langfristigen Entwicklungen unsicher. Sie werden voraussichtlich von Faktoren wie technologischem Fortschritt, politischer Unterstützung und der Akzeptanz am Markt abhängen.
Fazit
Der Vergleich zwischen elektrischen und herkömmlichen LKWs in Europa zeigt einen klaren Trend zur Elektrifizierung. Zwar sind die Anschaffungskosten für Elektro-LKWs derzeit höher, doch ihre niedrigeren Betriebskosten in Verbindung mit staatlichen Anreizen und regulatorischem Druck verbessern ihre wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit rasch.
Die ICCT-Studie geht davon aus, dass batterieelektrische LKWs bis 2030 für die meisten LKW-Klassen die kostengünstigste Option sein werden, und dass Wasserstoff-Brennstoffzellen-LKWs bis 2035 folgen werden. Herkömmliche LKWs, die mit alternativen Kraftstoffen wie HVO, E-Diesel und Bio-CNG betrieben werden, dürften sich im Vergleich dazu wirtschaftlich schwer tun.
Während Europa auf sein Ziel der Kohlenstoff-Neutralität bis 2050 zusteuert, steht die LKW-Branche an der Schwelle zu einem großen Wandel. Große Logistikunternehmen, Einzelhändler und Hersteller haben bereits begonnen, Elektro-Lkw in ihre Flotten zu integrieren. Unterstützt wird dieser Übergang durch ein wachsendes Netzwerk von Hochleistungsladestationen, die zuverlässige Langstreckenfahrten ermöglichen.
Ekoenergetyka treibt den Wandel hin zur Elektrifizierung des Schwerlastverkehrs mit der innovativen Hochleistungs-Ladestation SAT1500 MCS voran. Vorgestellt auf der IAA Transportation 2024, liefert die SAT1500 MCS beeindruckende 1440 kW Leistung über einen ihrer beiden Anschlüsse und kann somit auch erfolgreich LKWs aufladen.
Insgesamt schafft die Kombination aus technologischen Fortschritten, politischer Unterstützung und Marktnachfrage ein günstiges Umfeld für die breite Einführung von Elektro-Lkw.
Quellenverzeichnis
- https://theicct.org/publication/fs-total-cost-ownership-trucks-europe-nov23/
- https://www.ecgassociation.eu/wp-content/uploads/2022/04/ECG-Business-Intelligence-22.04-Cost-of-going-electric.pdf